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GEDICHTE FÜR PERFORMANCE – JONAS FREY

Die Performance «Polemik» ist ein experimenteller Dialog zwischen Sprache und digitaler Klangmanipulation, bzw. Jonas Frey & Robin Lütolf. Dies jedoch, sind die unverfälschten Gedichte, welche Jonas Frey für die Performance bei «PLAY ME ON STANDBY» in der Voirie in Biel geschrieben hat.


Gestapelte Zeit


Eigentlich schade, dass die Tage so hart sind.

Gestapelte Zeit, acht Ausgaben hoch

schwarze Tinte klebt an deinen Fingern.

Deine Schuhe riechen nicht nach Socken

kein Hund, mit dem du sprechen möchtest.

Zum Mittag gibt’s frittierten Fisch,

am frühen Abend wärmst du ihn im Backofen auf.

Die Weingläser laufen von innen an:

Gestapelte Zeit, acht Ausgaben hoch

ins Grau der Fensterscheibe geritzt.


Es gäbe besseres zu tun

als so zu tun.


Draussen hat Pathos die Macht übernommen,

du liest seine Hymne,

du summst mit ihr mit,

du kennst ihre Zeilen,

also stimmst du mit ein.

Und obwohl du nicht trauerst,

stimmst du mit ein.


Du siehst dich im Spiegel,

du schwitzt an der Stirn.

Du heulst wie ein Pudel,

du stinkst wie ein Fisch.


Eigentlich schade, dass die Tage so hart sind.

-


Die blaue Stunde

Blubber Kuppel Neon Früh

Bläschen Dächer Feuer Reif

Trommel Funken Tulpen Blut

Wirbel Schläger Blätter Bahn

Grillen Puder Moscow Mule

Zirpen Maske Früchte Korb

Donner Wetter Wasser Fall

Sternen Staunen Flaschen Post

-


Weißwein


Steckt im Weißwein

mehr oder weniger

als einige Stunden

Donnerstagabend

und leicht abwaschbare

Spuren?


Ich trinke.

-




15. April 2018


Kurz aufgewacht

Mantel genommen

Finken geschlüpft

Kiosk gegangen

Tabak bestellt

Kaffee gedrückt

Zucker zerstreut

Münzen sortiert

Zunge verbrannt

Zeitung gesehen:

Französische Vögel

Englische Pillen

American Dream.

Münzen gegeben

Hände gehoben

Beine vertreten

Luft eingeatmet

Licht absorbiert

Türe geöffnet

Fenster verdunkelt

Schwarz leer-

getrunken

Zähne geputzt

Pillen geschluckt

Weitergeschlafen



Celans Spiegelei


An der Bratpfanne schlag’ ich das Leben entzwei: Klacks.

Ich giesse die Sonne ins Weiß und zünde sie an

die Sonne versteckt sich unter der Haut.


Im Spiegelei steht, dass es Montag ist,

Träume schlafen nicht im Schlaf,

was in die Luft spricht, zieht der Dampf ab.


Ich sehe zurück in die Zukunft,

ich hoffte auf grosse Begriffe,

die hinter dem Brustkorb erglühen,

die unter dem Auge verkohlen.

Ich tanze wie Öl in der Pfanne,

erstrahle wie Salz auf dem Dotter,

vergehe wie Fett auf dem Hemd.


Ich irre wortlos durch die Küche, die Sonne sieht zu aus der

Pfanne:

Es ist Zeit, es ist heiss!

Trocken schmeckt’s bitter und alt,

als wäre der Morgen der Tag,

als friere Erwartung und Rausch.

Es ist Zeit, dass es kühl wird.


Es ist:

Geplatzt.

(Schade)

-


1932

Drei Steine zerschlagen im Magen

der rollt wie der Güterzug rennt

die Ärztin verschreibt gegen Mangel

Tabletten.

-


Kirche in Neapel


Bete zu uns,

die wir sitzen auf Holz,

im Scheinen des Himmels,

die wir hoffen auf goldene Runden,

die Wunden in Wunder verdreh’n.

Bete zu uns,

die wir sitzen auf Eisen,

dass wir uns entschließen,

dein Gold von der Decke zu nehmen.

Bete zu uns,

Wir hoffen auf dich.

-


Warum Heimat?


Ich bin der letzte Kopf meines Salates

und müsste eigentlich schon längst

unter der Erde liegen.

Ich bin ein Appenzeller-Käse,

durch meinen Magen rollt ein

Güterzug mit Kriegsgeschütz.

Ich bin die Hülle eines Landeis

und berge mehr Gesichter als

der Spiegel verrät.

Ich bin ein eckiger Halbrahm-Karton,

mich zu öffnen braucht mehr als

blosse Empathie.

Ich bin ein Senffleck

und frage:

Warum Heimat?

-


Grippe


Schrrrsch

Dogodogodog

Dugudugudug

Schrrrsch

Zwieback?

Tschschsch

Krrrrch

Flürrrfff

Gedanke.

Schlchschlch

Röchröch

Krrrrrr

Gewissen.

Huffffff

Schrrrsch

Rchrchrch

Lust.

Dogodogodog

Tschschsch

Schrrrsch

Arbeit.

UTSCHRRRRR

Schrsch

HATSCHIBULUBULU

Stimmen.

( )


Unbehaglich?

Erwache auf einmal

Im

Scherbelnden Ganzen

Geladenen Wummern

Klirrenden Grunzen

Knurrenden Magen

Stummen Gehämmer

Pochen

Drücken

Ziehen

Sollen, sollen, sollen?

Verteidigen. Weshalb!

Aufgewacht in einem Fallbeispiel:

Ehhm, ja, doch nicht, wisst ihr, schon gehört, Toilette, kalt, einfach drauflos, Tee…


( )


Endlich verstehen wir uns.

-


Hell werden

(nicht in Hamburg)


Wie gilbweiße Butter in der Bratpfanne

schmilzt mir die Nacht aus dem Himmel.

Unter heimlichen Kreisen der Kuppel

knistert ein funkender Tag,

murmelnd, von drüben her.

Rot sprüht er Wehmut ins Dunkel,

leise dämpft er das Rauschen.

In Rauheit tunkt er die Haut

hinter den glitzernden Sternen.

Und aus funkelndem Puder

wird kühlendes Rund,

traumlos, nackt.

Fort fliegt die Botin der Wostok,

Fort fliesst das wärmende Schweigen,

hinaus und hinauf.

Und was blühte und staunte von oben,

ertrinkt nun im Feuer von unten.


O Himmel:

Warum warst du nicht stark genug?

-


Wohustand


I schmücke mini wisse Zähn mit Öu, Ruess und Teer

Damit d Lüt, wo mir begägne, d Privilegie ned gseh

I mim Tabak schufle Sklave fürnes unverschmutzts Dehei

Doch wie söu mi das befreie, wenni weiss, i bi scho frei






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